Getinet ist am Vortag von seinem DAAD-Auswahlgespräch in Addis Abeba zurückgekommen. Am Morgen Fahrt nach Kurgeng, einem Ort in der Zone 1 (Jikaw), in dem ich bereits mit Dereje im Februar den "leopard skin chief" Shanduk besucht habe.
Christiane hat sich hier das Haus von Simon geliehen, einem ACORD-Mitarbeiter und damit einem früheren Kollegen von Christiane und Dereje. Simon zahlt Miete dafür. Es handelt sich um eine etwas größere Variante der üblichen Rundhütten mit Vordach über der Tür.
Wir gehen in das Hotel essen, in dem wir im Februar untergekommen waren. Christiane erzählt, der Besitzer, ein Oromo, sei in der Zwischenzeit erschossen worden. Seine Frau, von Gurage-Herkunft, die zum Zeitpunkt seines Todes mit ihrem ersten Kind schwanger war, hat jetzt einen kleinen Sohn und führt das Geschäft weiter. Der Anschlag ist auf der Straße zwischen Itang und Gambella erfolgt (Abzweigung nach Itang: waypoint 059). Ein im Bus mitfahrender Soldat konnte einen der Angreifer töten und die anderen in die Flucht schlagen. Christiane führt den Angriff darauf zurück, dass die Anywaa bei Gambella die wirtschaftliche Entwicklung des von Nuer bewohnten Jikaw-Gebietes sabotieren wollten. Die genaueren Umstände scheinen jedoch nicht geklärt. Der getötete Angreifer wurde auch nicht identifiziert. Eine Identifikation mag auch dadurch erschwert worden sein, dass die Fahrgäste sich bei der Weiterfahrt weigerten, die Leiche im Bus mitzunehmen. Deswegen wurde sie mit einem Seil hinterher geschleift. Bei der Straße handelt es sich um eine grobe Schotterpiste.
Am Nachmittag gehen wir zu Shanduk, der uns mit Trommeln und einem Ritual begrüßt, bei dem wir seinen Hügel berühren müssen, damit unsere Götter in ihn Einzug halten. Ich halte das Ganze mit der Video-Kamera fest.
Einer der Anführer der NgunDeng-Gemeinde in Pinyudo, namens Tuut, ist mit uns mitgekommen. Er war schon früher einmal hier, aber Shanduk erkennt ihn nicht, oder gibt vor, ihn nicht zu erkennen. Tuuts und Christianes Bericht von der Opferschlachtung in Pinyudo bewegt Shanduk zu kritischen Kommentaren: Ein Angehöriger des falschen Klans habe die Kuh gespeert. Deswegen sei das so schlecht gelaufen.
Christiane interessiert sich vor allem für Shanduks Prophezeiungen. Bei einem früheren Besuch im August hat er gesagt, Dinge würden vom Himmel fallen und Christen und Muslime würden in Konflikt geraten. Christiane würde schon sehen, was er damit meine. Das bezieht er jetzt auf die Ereignisse in New York vom 11. September 2001.