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Max Planck Institute for Social Anthropology

Günther Schlee 2008

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Von Bedele nach Gambella. Mittagessen in Mattu (Metu auf Karte 5 und Karte 6). Getinet überhört, wie ein paar Tische weiter, wo eine Gruppe von CSWs speist, ein Gespräch über die Liebe stattfindet. Eines der Mädchen sagt, sie habe noch keinen ihrer Freier geliebt und sei wohl nicht in der Lage zu lieben. Beim Verlassen des Raumes ziehen Getinet und Christiane sie damit auf. Das Mädchen ist amüsiert und zieht Christiane in ein Zimmer, in das Getinet und ich ihr folgen. Die Liebesunfähige sitzt auf einem Schemel und macht die Kaffeezeremonie, mit sämtlichen Umständlichkeiten wie dem mit Blättern bestreuten Boden. Neben ihr sitzt ein anderes Mädchen, weitere setzen sich mit auf die beiden breiten Betten, wo auch zwei Schläferinnen bereits ihre Tagesruhe pflegen und sich durch uns nicht stören lassen.

Eshetu, der zunächst nicht weiß, wo wir abgeblieben sind, kommt darüber hinzu. Dies ist der Raum, den die Mädchen zum Aufenthalt am Tage angemietet haben. Nachts gehen sie mit ihren Klienten auf deren Zimmer oder wer weiß wohin, und müssen ohne den Schutz der Gemeinsamkeit auskommen.

Die Mädchen sind trotz ihres Gewerbes in keiner Weise aufdringlich, sondern kultivieren eine mädchenhafte Scheu. In Fortsetzung der Plänkelei über die Liebe fragt Christiane eines der Mädchen, ob Getinet nicht gut aussehe und man ihn nicht lieben könne. Das Mädchen gibt zu, dass Getinet gut aussieht, sogar sehr gut, aber lieben würde sie ihn nicht.

Etwas robuster, aber doch verschlüsselt, verläuft das Gespräch über einen früheren Freier. Hatte er denn wenigstens große Füße? Oh ja, sogar sehr große Füße, seine Schuhgröße war Sonderanfertigung. In Anspielung and das HIV-Risiko und die Kampagnen für Kondom-Benutzung frage ich, ob er denn wenigstens seine Schuhe angezogen habe. Eine Antwort kriegen wir nicht, aber Christiane amüsiert sich sehr über meine Frage.

Schließlich findet auch Julia den Weg zu uns. Sie hat sich über einen jungen Hund begeistert, den sie mit sich herumträgt und kost. Ich gebe ihr die 20 Birr, ihn zu erwerben. Hinzu kommen zwei Birr für einen Karton, damit das Tier seiner Besitzerin  nicht direkt auf den Schoß pinkelt. Nach dem Ort seines Erwerbs nennen wir den Welpen Mattu.

Nach dem Kaffee verabschieden wir uns mit der Aufforderung, doch bitte das Lieben zu lernen. Getinet gibt den Mädchen aus unserer gemeinsamen Kasse 20 Birr.

Später, bei einer Teeplantage namens Gumaro zieht Getinet mir gleich. Er entdeckt am Straßenrand einen Welpen, ebenfalls von der Farbe, nach der die durchschnittliche Haarfarbe von unsereinem als "straßenköterblond" benannt wird, nur noch kleiner als Mattu und entsprechend billiger. Er erwirbt ihn für zehn Birr für Christiane. Nach demselben Namensgebungsmuster wird dieser Hund jetzt Gumaro genannt. Die riesenhafte Teeplantage gehört übrigens Alamuudi, dem saudischen Investor mit äthiopischer Mutter, dem in diesem Land so vieles gehört. Da wir uns den Namen Gumaro nicht merken können, benennen wir den Hund am nächsten Tag um. Er heißt jetzt Alamuudi.

 

Karte 6: Von Metu bis in die Gambella Region (Wegpunkte 018 (001) - 024 (001), 025 - 036, 062 - 071, 101 - 116)

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Lat. 8° 12′ 40.25″ N / Long. 35° 18′ 27.31″ E

Eine Brücke über einen kleinen Fluss fotografiert. Wir sind längst jenseits der Wasserscheide. Von hier aus fließt alles Wasser in den Weißen Nil, nicht mehr in den Blauen (wie bei Gudere). Weiter fotografiere ich einen oromo-sprachigen Maultier-Reiter, der in Begleitung eines Jungen die Brücke überquert, einen alten Honigsammler, der sich hier einfindet, und wie die beiden Damen zum ersten Mal ihre neuerworbenen "canines" zur Tränke führen.

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An der Straßensperre vor der Brücke über den Baro, and der Grenze zum Gambella Regional State, erfährt Julia, dass ein Bekannter von ihr, ein Anywaa, erschossen worden ist. Nuer schießen neuerdings auf Anywaa. Er war alleine eine Landstraße entlang gegangen.

Lat. 8° 19′ 23.91″ N / Long. 35° 2′ 6.6″ E

Hier liegt ein umgestürzter Militärlaster. Er soll von Majangir beschossen worden sein. Unter einer Plane liegen Soldaten, die ihn bewachen.

Zwischen waypoint 019 (001) und waypoint 020 (001) in meinen GPS-Aufzeichnungen geht es von 1400 auf 880 Meter Meereshöhe herunter. Jetzt sind wir wirklich im Tiefland, auf 513 Meter, und es ist angenehm warm.

Lat. 8° 11′ 42.04″ N / Long. 34° 51′ 35.21″ E

Flüchtlingslager Bonga

Lager, das Dereje und ich schon im Februar besucht haben. Viele Uduk frequentieren die Straße weitab vom Lager. Sie haben zum Verdruss der einheimischen Anywaa begonnen, im Umland des Lagers Felder anzulegen. Einige tragen auch Wurfhölzer und waren offenbar auf der Jagd.

Christiane, Getinet und ich kommen in Gambella auf dem Grundstück der Mekane Yesus in einem Gästehaus unter, Eshetu schläft für 15 Birr im Park Hotel und Julia geht nach Hause.