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Max Planck Institute for Social Anthropology

Günther Schlee 2008

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Getinet muss zum DAAD-Auswahlgespräch nach Addis Abeba und wir bringen ihn am Morgen zum Flughafen. Mit Christiane und Eshetu geht es weiter nach Pinyudo, einem Flüchtlingslager für Südsudanesen, in dem Christiane eine vertiefte Feldforschung durchführt (ihr anderer Schwerpunkt liegt in Jikaw). "Pinyudo" ist der Name in Anywaa, der auch auf äthiopischen Landkarten zu finden ist und von den äthiopischen Behörden gebraucht wird. Der UNHCR ignoriert dies und gebraucht den Nuer-Namen "Funido", ob mit Absicht, oder weil sie eben mit Nuer-Flüchtlingen zu tun haben und so die andere Bezeichnung nicht zu hören kriegen, wer will das wissen? Für die Anywaa ist dies natürlich ein Politikum.

Die äthiopische Lagerverwaltung sowie die Büros des UNHCR und verschiedener NGOs sind in dem Ort Ageng (Agenga auf Karte 8). Tesfaye vom UNHCR hat gerade Besuch von einem Anywaa, der hier Woreda Chairman ist, also einer allgemein bekannten, ortsansässigen Persönlichkeit. Dafür hat der Chairman aber ein ungewöhnliches Anliegen. Er ist mit seiner Familie vor einem Jahr in Jijiga gewesen. Dort haben sie sich als Somali-Flüchtlinge registrieren lassen. Jetzt ist die Familie in Addis Abeba. Da die Registrierung nach einem Jahr erneuert werden muss, müsste er mit seiner Familie jetzt eigentlich wieder nach Jijiga zum dortigen UNHCR-Büro. Das aber ist ihm zu weit. Jetzt fragt er, ob die Erneuerung nicht hier in Agenga vorgenommen werden kann. Dass hier jeder weiß, dass er gar kein Flüchtling aus Somalia ist, scheint ihn dabei nicht zu stören. Wie eine ganze Anywaa-Familie in Jijiga als Somali durchgehen konnte, ist natürlich ein Rätsel.

Die äthiopische Verwaltung heißt ARRA, Administration of Refugee and Returnee Affairs. Ato Abebe, der Chef der hiesigen Lagerverwaltung, akzeptiert seinen Anteil an dem Taj, den wir aus Dembi Dolo mitgebracht haben, macht aber doch Umstände wegen meiner Anwesenheit. Christiane redet sich damit heraus, dass wir bei der übergeordneten Stelle in Addis niemanden angetroffen hätten, den wir hätten um Erlaubnis bitten können. Morgen sollen wir noch einmal versuchen, die Sache telefonisch zu klären.

Belachew arbeitet für Radda Barnar, was der schwedische Name von 'Save The Children' ist. Auf deren Schild heißt der Ort übrigens weder "Pinyudo" noch "Funido", sondern "Pugnido". Einer aus der Besatzungszeit stammenden Unsitte folgend wird die Lautfolge /ny/ in Äthiopien häufig italienisch als /ng/ transkribiert. Gemeint ist also "Punyido". Im Zusammenhang mit dem Ch’at und dem Taj, die wir aus Dembi Dolo mitgebracht haben, denkt Belachew wehmütig an die Zeit vor einigen Jahren zurück, als er und eine Gruppe anderer Hochländer jeden Freitag mit dem Projektfahrzeug von hier aufbrachen, um das Wochenende in Dembi Dolo, der nächsten größeren Stadt im Hochland zu verbringen. Immerhin sind das ca. 200 km für die einfache Strecke.

Christiane meint, die Hochländer hassten es, hier zu sein, und hätten auch kein Verhältnis zu den Nuer. Nur anderen Hochländern gegenüber würden sie Solidarität zeigen. Vor ein paar Jahren wurden in dieser Gruppe von Beamten und Projektangestellten Waisenkinder aufgezogen, die mal hier zu Tisch gingen, mal dort. Dabei hat es sich um Waisen der Opfer der Massaker an Umsiedlern von 1991 gehandelt.

Ausgesprochen unangenehm ist es, als wir, kaum dass wir mit dem Auto in das Lager einbiegen, mit dem Schrei "Video, Video!" begrüßt werden und Haufen von Kindern hinter uns herrennen. Vor einem Jahr sind Vertreter der Nazarene Church, einer amerikanischen Splitterkirche pfingstlerischer Ausrichtung, hier gewesen und haben einen sentimentalen Jesus-Film gezeigt. Es gibt hier sonst keinerlei Filmvorführungen, und wahrscheinlich ist hier jeder Film ein Ereignis. In Korr (Nordkenia) haben ja die katholischen Missionare auch mit Kung-Fu-Filmen große Publikumswirkung. Bei religiösen Inhalten hilft natürlich die Neuheit des Mediums, die missionarische Botschaft in besonders eindrucksvoller Weise zu vermitteln.

Das Lager mit GPS abgefahren, so dass Christiane es besser kartieren kann (siehe Karte 9, auch erschließbar per Klick auf das in Karte 8 eingefügte kleine Quadrat).

 

Karte 8: Westlich und südlich von Gambella (Wegpunkte 023 (001) - 024 (001), 025 - 031, 036 - 060)

Move mouse over the waypoints to see GPS coordinates.
Click where indicated to enlarge detailed map of smaller area.

Lat. 7° 40′ 1.63″ N / Long. 34° 14′ 29.6″ E

Pinyudo. Refugee camp. Junior Secondary School; after that, Block 17 and Block 16, both inhabited by Gajaak

Lat. 7° 40′ 10.54″ N / Long. 34° 14′ 8.96″ E

End of Block 16, water pump on the left

Lat. 7° 40′ 12.98″ N / Long. 34° 14′ 3.55″ E

Store on the left, grinding mill on the right, water tank, end of Block 10, Block 20 starts

Lat. 7° 40′ 22.39″ N / Long. 34° 13′ 42.21″ E

End of Village 20, end of the larger settled area

Lat. 7° 40′ 54.88″ N / Long. 34° 12′ 28.19″ E

Main store

Lat. 7° 40′ 40.17″ N / Long. 34° 13′ 1.38″ E

Village 12 ("Minorities", i.e., all non-Nuer: Shilluk, Nubi, "Equatorians", etc.; plus some Nuer who prefer to live here)

Lat. 7° 40′ 40.5″ N / Long. 34° 13′ 11.63″ E

Store for Village 12

Lat. 7° 40′ 52.55″ N / Long. 34° 13′ 14.56″ E

Memorial to San Josephine Bakhita

Lat. 7° 41′ 14.14″ N / Long. 34° 13′ 19.8″ E

Primary School, end of Block

Lat. 7° 41′ 0.97″ N / Long. 34° 13′ 28.38″ E

Cattle byres (photographed in black and white)

Lat. 7° 40′ 44.82″ N / Long. 34° 14′ 10.71″ E

Beginning of Block 5

Lat. 7° 40′ 49.98″ N / Long. 34° 14′ 19.06″ E

End of Block 5

Lat. 7° 40′ 41.43″ N / Long. 34° 14′ 25.22″ E

Preschool 3, Block 4

Lat. 7° 40′ 50.92″ N / Long. 34° 14′ 33.64″ E

End of Block 4, water tank

Lat. 7° 40′ 43.3″ N / Long. 34° 14′ 49.46″ E

Store, end of Block 4, beginning of Block 3

Lat. 7° 40′ 46.18″ N / Long. 34° 15′ 0.61″ E

Local court, health centre

Lat. 7° 41′ 32.51″ N / Long. 34° 15′ 11.52″ E

Fire break at a right angle to the way we have come.

Lat. 7° 41′ 29.25″ N / Long. 34° 15′ 18.16″ E

End of Village 14

Lat. 7° 41′ 20.79″ N / Long. 34° 15′ 16.17″ E

Border between Village 14 and Village 13