Stable URL(for citation): http://www.eth.mpg.de/subsites/schlee_tagebuch/trip_02/f5/2001_11_24_sat.html

>Max Planck Institute for Social Anthropology
Max Planck Institute for Social Anthropology

Günther Schlee 2008

Impressum
Datenschutzhinweis

Großer Markt mit Viehmarkt in Asosa. Fotos.

Move mouse over pictures to see a larger version with captions

Am Nachmittag ist Getinet wieder zu einem Ausflug in der Lage. In Begleitung von einem Bekannten von ihm, Jamal, besuchen wir zwei Dörfer. Jamal arbeitet für eine italienische NGO, das Comitato Internazionale per il Sviluppo dei Popoli (CISP). Er kam mit sechs Jahren als Umsiedler aus Wollo und hat hier die Schule besucht. Er fastet. Umso mehr wissen wir seine Hilfe zu schätzen.

Lat. 9° 57′ 13.65″ N / Long. 34° 31′ 30.82″ E

Megelle 37. Resettler village; a Peasant Association

Lat. 9° 59′ 22.46″ N / Long. 34° 30′ 36.06″ E

Abraamo (Berta village)

Most inhabitants have gone to the market in Asosa. We talk to Baabikir, 16 years old. He speaks Arabic (with me) and Amharic (with the others). He tells us that two years ago, in winter (fii shitaa’), there were Mbororo in the area ("Fellata", "Umm Bororo"; "Umm [mother] Bororo" is an Arabic folk etymology and, in this sense, a less proper designation than "Um Bororo"). They were only men and boys. The other members of the families had been left on the Sudanese side, in the Yabus area. They had 3,000 to 4,000 cattle with them. They came to the village to sell milk, cattle for slaughter and even heifers for breeding. These died later in an epidemic, but the Berta still have some mixed offspring from Berta bulls. The Mbororo cattle are not disease resistant.

The Mbororo stayed near Fufur, 30 km west of Asosa. Their cattle did not come closer than Abush, 20 km south-west of Asosa. Mbororo men came to the market in this village. They did not go to Asosa town, because they were afraid of the Administration and the Police. They did not come to the mosque.

Local people were worried about overgrazing with so many cattle around. In the end the SPLA raided the Mbororo, killing some, and took all of the cattle at Kudush, west of Asosa.

Lat. 9° 59′ 40.54″ N / Long. 34° 30′ 14.69″ E

Made photograph of meeting place with bamboo benches.

Baabikir takes us to an older man, ʿAbdulqaadir, likewise fluent in Arabic. He says that ʿeesh (sorghum), coffee, teff, and rapeseed are the main crops in this village. They used to have cattle, but nowadays cattle die as fast as one can replace them. Cattle used to be the main source of monetary income.

About the last point, the cattle epidemic, Jamal explains that the few cattle in the area all need regular injections against trypanosomiasis. There is a tsetse problem, especially along the water courses and in the areas with dense vegetation.

Meeting place with bamboo benches

Move mouse over picture for larger version

Many villagers, resettlers from Wollo and Berta alike, come back from the market and make way for us on the narrow road as we drive back to town (photographs).

On the way back from the market

Move mouse over picture for larger version

Am Abend besuche ich Andreas. Er hält sich am Wochenende mit seiner Familie in Asosa auf, und zwar in dem Haus direkt neben dem NGO-Gästehaus, in dem Getinet untergekommen ist. Dieses hat die Regierung ihm zur Verfügung gestellt. Er verschriftlicht für das Summer Institute of Linguistics die Berta-Sprache. Die Woche über ist er in Abraamo, also genau dem Dorf, in dem wir gewesen sind. Er erzählt, dass es hier vor wenigen Monaten zu Gewalttätigkeiten zwischen Wollo und Berta gekommen ist, bei denen 30 Leute, vorwiegend Wollo, umgekommen sind. In der Derg-Zeit wurden die Umsiedler rings um die Stadt angesiedelt, um einen Puffer zwischen den amharischen Beamten und den als unzuverlässig verschrienen Berta zu schaffen. Die Berta wurden dafür einfach aus ihren Dörfern verdrängt und mussten sich weiter abseits ansiedeln. Jetzt haben sie den längeren Weg zum Markt und kommen auf diesem durch ihre alten Dörfer hindurch, sehen, wie die Früchte auf den Mango-Bäumen wachsen, die sie gepflanzt haben, und rechnen sich aus, was ihnen schon wieder zugunsten der Wollo an Einnahmen entgeht. In seinem fiktiven Beispiel nennt Andreas 4000 Birr. Wenn das eine realistische Zahl für die Einnahmen eines einzigen Bauern nur aus dem Verkauf von Mangos ist, ist das natürlich eine ganze Menge.

Bei der Wahl eines Schriftsystems für das Berta stehen die lateinische, die arabische Schrift und das Fidel, die amharische Schrift, zur Debatte. Andreas selber tendiert zur lateinischen Schrift, was bei einem Europäer wohl kein Wunder ist, und begründet dies so: Die amharische Schrift würde von den Berta wegen historischer Aversionen nicht akzeptiert und die arabische Schrift, die hier am meisten Anhänger hat, sei der Zentralregierung in Addis Abeba auf keinen Fall genehm. Er will aber trotzdem einen brauchbaren Vorschlag unter Verwendung des arabischen Alphabets vorlegen, und fragt, ob ich Beispiele für die Verschriftlichung nilosaharanischer Sprachen in arabischen Charakteren kenne. Ich sage zu, ihn mit dem Linguisten Al-Amin Abu-Manga in Kontakt zu bringen.

In dem Aufsatz von John Young (1999) hatte ich gelesen, dass es nach Metekel, d. h. zu dem Teil der Beni Shangul-Gumuz Region, der jenseits des Blauen Nils liegt, keine Brücke gebe, und man deswegen 1250 km über Nek’emte fahre, und auf der anderen Seite zurück. Ich frage Andreas, warum es denn keine Fähre gebe. Im Sudan gebe es in jeder größeren Ortschaft eine Fähre. Aus seiner Antwort geht hervor, dass Beamte auf Tagegeldbasis (per diem) unterwegs sind, der längere Weg für sie also allenfalls von Vorteil ist. An Autos gibt es auch keinen Mangel. Man erlaube dem UNHCR seine Tätigkeit in den Flüchtlingslagern der Region unter der Bedingung, dass er alle zwei Jahre neue Fahrzeuge anschaffe (Toyota Landcruiser) und die alten der Regierung gebe. Auch sei es nach Addis Abeba auch nicht weiter als von einem Landesteil in den anderen, so dass die Entfernung ein guter Grund sei, Treffen gleich in Addis abzuhalten.

Es habe neulich eine Absetzungswelle bei den Department Heads der Verwaltung gegeben. Amhara und Oromo sind durch Berta ersetzt worden, vor allem aber durch Shinasha, die über ein weit besseres Bildungsniveau verfügten als die Berta. (Letzteres geht auch aus dem Zensus-Report für die Region Beni Shangul-Gumuz hervor; siehe Federal Democratic Republic of Ethiopia, Central Statistical Authority, Office of the Population and Housing Census Commission, 1995/1999.) Zum Teil seien ganz gute Leute durch unqualifizierte ersetzt worden. Die Shinasha leben im östlichen Winkel der Region, nördlich vom Blauen Nil, im Osten der Gumuz also.

Ich erzähle Andreas und seiner Frau von dem Streit, den ich im Ras Dashen Hotel habe, wo man von mir als Europäer den doppelten Preis haben will. Die ganze Familie hat eine Aufenthaltsgenehmigung ("resident status"), und seine Arbeit wird von der Mekane Yesus unterstützt. Trotzdem müssten sie vielerorts, sogar im Gästehaus der Mekane in Nek’emte, den doppelten Preis bezahlen, so dass jedes ihrer drei kleinen Kinder doppelt so viel zahlt wie ein äthiopischer Erwachsener. Bei den Ethiopian Airlines gebe es eine Preis-Abstufung nach dem Kriterium "residents/non-residents", überall anders aber gehe die Unterscheidung rein rassistisch nach Hautfarbe.

Vorher war Andreas längere Zeit in Zaire, wo ihm offenbar vieles besser gefallen hat. Die Leute seien dort aufgeschlossener und aktiver. Auch über Flüsse zu setzen, sei dort kein Problem. Einmal habe man drei Kanus zusammengebunden und habe ihn so, gegen das Abtreiben ein Drahtseil entlang, mit seinem Lastwagen über einen Fluss gesetzt. Aus Beni Shangul würde er gerne in ein paar Jahren wieder fort, wenn er die Berta-Grammatik und das Wörterbuch fertig hat. Für die Bibel-Übersetzung, die dann folgen soll, hofft er, ein Team zu finden.