Zurück nach Bambesi (siehe Karte 2 und Karte 7), das übrigens mit dem Fadasi in Alessandro Triulzis Salt, Gold and Legitimacy (1981) identisch ist. Hier sollen sich "Fellata" aufhalten. Beim Aussteigen werden wir von einem freundlich aussehenden älteren Mann in muslimischer Kleidung neugierig betrachtet. Ich spreche ihn auf Arabisch an. Es handelt sich um einen Sheikh Hussein aus Begi, einen Oromo also, und wir setzen das Gespräch auf Oromo fort. Er sagt es gebe hier einige Mbororo, die ihre Rinder verloren hätten. Einige seien schon vor 30 Jahren gekommen, hätten hiesige Frauen geheiratet und seien jetzt wie Oromo. Die Kategorie 'Mbororo' und der umfassendere Begriff 'Fellata' scheinen hier jedoch durcheinander zu gehen, und ob es sich tatsächlich um Mbororo handelt, müsste geklärt werden.
Von anderen werden wir, auf unsere Fragen nach Mbororo hin, auf "Fellata" hingewiesen, die am Dabus siedeln würden und zur Fischerei übergegangen seien. Diese beschließen wir zu besuchen. Ein junger Mann namens ʿAbdallah wird für uns gerufen, der den Weg kennt. Für eine Strecke ist der Weg befahrbar, dann lassen wir das Auto mit Eshetu im Schatten eines großen Mangobaumes stehen. Wir kommen an einer kebele-Versammlung vorbei, wo wir unser Anliegen erläutern. Dort gibt man uns noch einen Jungen namens Sa’id mit, der nicht weit von den "Fellata" zuhause ist.
Die "Fellata" stellen sich als Hausa (fünf Häuser) und Fallaata Malle (zwei Häuser) heraus. Letztere sind Fulfulde-Sprecher, die ursprünglich aus Mali stammen. Alle sprechen auch Arabisch. Zunächst komme ich mit einem jüngeren Mann namens Muhammad ins Gespräch. Er ist vor neun Jahren aus Gedaref gekommen. Ursprünglich stamme die Familie aus dem Randgebiet von Kano. Sie seien als Pilger in den Sudan gekommen. Sein Vater, der auch Muhammad heißt, kommt später hinzu und spezifiziert, das sei vor ungefähr 60 Jahren gewesen. Er sei damals ganz klein gewesen. Sein Vater und sein Großvater seien mit ihren Familien dabei gewesen. Sein Großvater und seine Großmutter ebenso wie sein Vater und seine Mutter seien in Gedaref beerdigt. Sie alle seien dort Bauern gewesen. Sie betrieben Regenfeldbau südlich von Gedaref. Rinder hatten sie keine.
Der jüngere Muhammad hatte gesagt, der Grund für die Migration hierher sei eine alte Weissagung in einem Buch von einem Sheikh in Nigeria gewesen. Ich werfe den Namen ʿUthmaan dan Fodio ein. Er freut sich, dass ich von dem weiß, bestätigt aber nicht, dass es sich bei dem Autor des Buches um ihn handele. Die Weissagung lautete, dass sie in Äthiopien ein gutes Leben finden würden. Dies hat sich bestätigt: Dies sei ein gutes Land mit guten Sitten/gutem Recht (qanuun kuweyyis). Auf Fragen von Getinet, die ich übersetze, weil der jüngere Muhammad nur bruchstückhaft Oromo versteht, sagt Letzterer, es gebe keinerlei Schwierigkeiten mit der Regionalregierung. Es habe keine Repatriierungsversuche gegeben. Man habe den Sudan wegen dieser Weissagung verlassen, nicht etwa, weil sie dort Probleme gehabt hätten.
Der Vater weist jedoch später, in anderem Zusammenhang, darauf hin, der Regenfeldbau sei riskant gewesen. In trockenen Jahren hätte es Missernten gegeben. Er bestätigt die übrigen Punkte: Es gebe ein Buch mit dieser Weissagung. Gesehen habe er es nicht, sondern nur von seinen Vätern davon gehört. (Die Leute sind übrigens auf Arabisch alphabetisiert. Einer hat ein Buch mit Khutba-Texten dabei.)
Die Reise hierher erfolgte die Straße am Blauen Nil entlang über Singa, Damazin, El Roseires und Mount Kush an der Grenze zu Äthiopien. Die Fischerei kannten sie vorher nicht.
Der jüngere Muhammad ist mit einer Berta verheiratet und hat zwei Kinder, die beide zu klein für die Schule sind. Für die wird übrigens gekocht; die Erwachsenen fasten. Wir kriegen ein Fischgericht, Limonensaft und Kaffee vorgesetzt. Er hat einen älteren Bruder, der sich auch einfindet. Der ist mit einer Hausa verheiratet und hat vier Kinder, alle zu klein für die Schule.
Ein Nachbar findet sich ein, den der ältere Muhammad als seinen Schwippschwager (ʿadiil, WZH) vorstellt. Er ist nach ihm gekommen, ebenfalls, wie alle hier, aus Gedaref, und jetzt acht Jahre hier. Er ist Fallaata Malle. Er hat vertikale Narben auf der Wange, genau wie die Ja’aliyiin, die Getinet zunächst denken lassen, er sei Berta. In diesem Falle sollen sie aber einer nigerianischen Sitte entsprechen.
Die anderen Haushalte sind noch später gekommen und zwei bzw. fünf Jahre hier. Die beiden Fallaata Malle-Haushalte befinden sich an entgegengesetzten Enden. Einer der fünf Haushaltsvorstände ist ein Sheikh, der auch die Kinder der anderen im Qur’aan unterweist. Auch er ist Hausa. Kein Kind geht in die öffentliche Schule. Die Kinder sprechen Hausa und Arabisch. Einige haben etwas Oromo aufgeschnappt. Die Kinder der Fallaata Malle sprechen auch Fulfulde.
Hausa am Dabus
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Von den Erwachsenen ist offenbar der jüngere Muhammad derjenige. der am besten Oromo kann. Es langt offenbar zum Fische verkaufen. Er ist derjenige, der die Fische nach Bambesi bringt, und zwar frisch. Der Fußmarsch beträgt zwei Stunden. Etwas Fisch ist zum Trocknen aufgehängt, aber der ist für den Eigenbedarf. ʿAbdallah erwirbt einen Wels. Ich filme, wie der gesäubert wird. Danach wollen alle jüngeren Männer mit dem Wels abgelichtet werden.
Zum Abschied schenkt uns Sa’id Zuckerrohr für einen Birr, das er selber mit seiner Machete vom Feld holt. Ich schenke ihm 50 Birr. ʿAbdallah trägt zwar die meisten der Stangen, Getinet und ich nur je zwei; trotzdem wird uns Stadtmenschen das Tragen der langen, schwankenden Stangen auf der Schulter ziemlich lästig. Der Rückweg bis zum Auto dauert 75 Minuten. Selten für den Gegenwert von fünf Pfennig so geschuftet. War aber nett von Sa’id gemeint.
Waypoint 087 | Lat. 9° 43′ 46.05″ N / Long. 34° 45′ 14.08″ E Brücke aus Knüppeln (Fotos) |
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Waypoint 088 | Lat. 9° 43′ 5.45″ N / Long. 34° 45′ 55.18″ E Auto unter einem Mangobaum gelassen |
Waypoint 089 | Lat. 9° 42′ 36.68″ N / Long. 34° 48′ 18.2″ E Hausa-Weiler |