In der Uni, Institute of Ethiopian Studies, 250 US-Dollar entrichtet und die Unterlagen für die Affiliation sowie einen Empfehlungsbrief für die Reise ins westliche Oromia (nach Gambella und Beni Shangul) erhalten, letzterer in amharischer Sprache.
Beim Bezahlen war es ein großes Problem, dass ich unterschiedlich gestaltete 20-Dollar-Noten hatte. Es half nichts, dass ich darauf verwies, dass die Einen von 1993 und die Anderen von 1997 seien und beides legale Zahlungsmittel. Der Vorgesetzte war nicht da, der die schwierige Frage hätte klären können, ob die Amerikaner ihre Banknoten ändern dürfen. (Einem werden hier auch andauernd für unterschiedliche Banknoten unterschiedliche Wechselkurse angeboten. Es ist zum Kinderkriegen.) Schließlich gelang es mir, die 20-Dollar-Noten von dem in Minderzahl vorhandenen Typ durch andere Noten, z. T. 10-Dollar Noten, zu ersetzen.
Auch ein Foto musste ich mitbringen. Als die Akte fertig war und einsortiert wurde, fiel auf, dass da schon ein Schlee in der Ablage war. Taddesse Berisso fragt, ob ich schon früher einmal dagewesen sei. Ich bejahe dies. 1985, zur hohen Zeit des Mengistu-Regimes, hatte ich schon einmal eine Forschungsgenehmigung hier, und zwar für die Altersklassenpromotionen (jila) der Gabra. Meine Akte hat also den Zusammenbruch des Sozialismus und sämtliche Turbulenzen überlebt. Auf dem Foto von damals blickt mir ein energischer junger Mann mit ziemlich langem Vollbart entgegen. Insgesamt gefällt der mir besser als ich.
Unser Fahrer, Eshetu, lädt uns zu sich nach Hause zum Kaffee ein. Es handelt sich um ein altes eingeschossiges Haus, sehr zentral, nähe Piazza, mit schöner, einem Innenhof zugewandter, überdachter Veranda, auf der Polster ausliegen.
Es stellt sich heraus, dass sowohl er selber als auch seine Frau einen indischen Vater haben. Getinet war ja schon aufgefallen, dass er nicht wie ein typischer Wolaita aussehe, sondern eher wie ein Amhara, und zwar wie ein "nobler" Amhara. Eshetus Mutter war Wolaita, die Mutter seiner Frau Amharin, mit Wurzeln in Shawa und Wollo. Seine Ehe ist eine Liebesehe. (Es ist Christiane, die danach fragt.) Er habe seine jetzige Frau geschwängert, als sie 15 war, und sie dann heiraten müssen.
Eshetus Vater, Akiber (= Akbar), sei Muslim gewesen. Ein Qur’aan-Vers an der Wand verweist auch auf ein Stück muslimischer Identität. Eshetus eigentlicher Name sei Hussein. Als er zur Schule kam, habe er sich dort aber als Eshetu eingeschrieben. Er bezeichnet sich selber als religiöse Mischung. Deswegen also isst er ohne Bedenken Fleisch aus muslimischer wie auch aus christlicher Schlachtung, worüber Christiane sich schon gewundert hatte.
Von Wolaita, und zwar von der Stadt Soddo, ist das Paar erst vor zehn Jahren nach Addis Abeba gezogen. Offenbar mit Ersparnissen, denn am nächsten Tag erzählt mir der Inhaber der Firma, bei der wir das Auto mieten, Eshetu selber habe das Kapital für das Mietauto, dessen Fahrer er jetzt ist, beigesteuert.
In der Nachbarschaft, in den schönen, alten Häusern, sollen früher viele Inder gelebt haben. In der Derg-Zeit wurden viele von ihnen enteignet und verließen das Land.
Zuhause angerufen anlässlich des Geburtstages meines Sohnes Feisal und wegen meiner bevorstehenden Abreise aus Addis. Bei Sandra und Christiane ist das Telefon, wie meistens, kaputt. Oft ist auch die ganze Nachbarschaft abgeschnitten. Ein Nuer-Bekannter von Christiane, Chol mit Namen, nimmt mich mit in eine Telefonzentrale in einem unscheinbaren Haus abseits der Straße in der Nähe der Britischen Botschaft. Neben Nuer und anderen Menschen von nilotischem Aussehen sind dort auch Somali im Wartezimmer. Mit einem kleinen Kind fange ich an, auf Somali zu schäkern und werde daraufhin von einem Erwachsenen angesprochen. Es handelt sich um Flüchtlinge aus Südsomalia.
Das Telefon funktioniert per Internet über einen Laptop. Die Tonqualität ist schlecht, eine Zeitverzögerung störend. Der Preis ist günstig: Ich bezahle 24 Birr für vier Minuten, d. h. 6 Birr/min. Diskretion ist nicht gegeben: Neben der Telefonistin hört mir eine Traube von Wartenden beim Telefonieren zu. Da hier wohl keiner Deutsch oder Rendille kann, stört mich das wenig. Ich sehe nur Minen, die rätseln, was das wohl für Sprachen sind, die der komische weiße Mann da spricht. Für andere dürfte das aber manchmal unangenehm sein.
Am Abend wieder ins Coffee House, Sidist Kilo, wo Markus, wie jeden Mittwoch, Jazz spielt. Er hat den Geldbetrag mitgebracht, um den ich meine Aufwendungen zu knapp kalkuliert habe. Vom Autoverleih aus werde ich eine E-Mail ans Institut schicken, dass ihm das Geld in Deutschland überwiesen werden soll.
Diesmal ist auch ein Hans-Jörg dabei, mal an der Gitarre, mal an den kleinen Perkussionsinstrumenten (Rassel und dem gezähnten Brettchen), mal am Keyboard. Dessen Frau singt später, mit etwas vereinfachter Melodieführung gegenüber einer anderen Version von "In other words: please be true, in other words: I love you", die ich im Ohr habe, aber nicht schlecht in Ausdruck und Bewegung.
Hans-Jörg "verschiebt" hier, wie Markus sich auszudrücken beliebt, die gesamte Nahrungsmittelhilfe der EU, ca. 180 Millionen Euro pro Jahr.
Für jazz-spielende peripatetische Experten, die viel in der Welt herumgeschickt werden und sich deswegen häufig zu neuen Bands zusammenfinden müssen, ist es übrigens ein Segen, dass es eine dicke, immer wieder fotokopierte, wenn auch urheberrechtlich nicht ganz abgesicherte Notensammlung von 400 Titeln gibt, die auch hier jeder auf seinem Notenständer hat. Diese Sammlung ist bekannt als The True Book. Da stehen natürlich nur ein paar Akkorde und ein paar Themen drin, die man dann frei variieren muss, sonst wäre es ja kein Jazz.